Das 17. DFPK: Gut Ding will Weile haben

Wie bereits im Jahr zuvor, musste auch das DFPK 2021 pandemiebedingt zunächst verschoben und dann als Online-Veranstaltung stattfinden. Die Organisation des DFPK dauerte somit fast ein Jahr lang. Spätestens beim Auftakt war allen Beteiligten jedoch klar: Das Warten hat sich gelohnt!

Bei der diesjährigen Podiumsdiskussion des DFPK kamen unsere Gäst:innen zusammen, um ein Thema der politischen Kommunikation zu diskutieren, das aktueller kaum sein könnte: gesellschaftliche, politische und mediale Polarisierung. Ein Blick in die Zeitung, das Fernsehen oder diverse soziale Medien reicht und es scheint offensichtlich: Hier kann man sich nicht einig werden! Von Fridays for Future über den Nahostkonflikt bis hin zu Demonstrationen gegen bestehende Corona-Maßnahmen – es wirkt, als hätten sich die Beispiele für fundamentale Meinungsverschiedenheiten in den letzten Jahren gehäuft. Niemand hört einander zu, alle wollen recht haben und vernünftige Diskussionen sind scheinbar unmöglich geworden. Oder etwa doch? Wirkt alles schlimmer als es ist oder leben wir tatsächlich in einer gespaltenen Gesellschaft? Tragen Medien gar zur Polarisierung der Gesellschaft bei oder bilden sie lediglich das ab, was ohnehin schon da ist? Und wie gehen wir als Gesellschaft, die Medien und die Politik am besten damit um?

Unter dem Titel: „Wir gegen die: Wie steht es um die gesellschaftliche, mediale und politische Polarisierung?“ diskutierte die Moderatorin Bianca Bendisch (IKU_Die Dialoggestalter) am Abend des 9. Septembers mit Gäst:innen aus Politik, Journalismus und Wissenschaft. Die Diskussion wurde live vor einem digitalen Publikum auf Youtube gestreamt.

Auf dem Podium begrüßen durften wir:

Prof. Dr. Roland Czada
Emeritierter Universitätsprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück

Prof. Dr. Philipp Hübl
Philosoph, Autor und Gastprofessor für Kulturwissenschaft an der Universität der Künste Berlin

Birgit Lohmeyer
Schriftstellerin, Diplom-Pädagogin und Organisatorin eines Anti-Rechts-Konzerts

Christian Spolders
Redaktionsleiter Express.de

Paul Jürgensen
Projektmanager bei Das Progressive Zentrum

Podiumsdiskussion
Auf dem Podium (v.l.n.r.): Christian Spolders, Prof. Dr. Roland Czada, Bianca Bendisch, Paul Jürgensen, Birgit Lohmeyer & zugeschaltet: Prof. Dr. Philipp Hübl

Wie polarisiert sind wir?

Bereits zu Beginn der Debatte wurde deutlich: Unsere Gäst:innen sind sich nicht ganz einig. Laut Professor Dr. Hübl passiert Polarisierung häufig auf der emotionalen Ebene. Er sprach über affektive Polarisierung: „Wir wollen gerne zu einer Gruppe dazugehören und grenzen uns unbewusst von anderen Gruppen ab.“ Aktuellen Studien zufolge sei Deutschland vergleichsweise unpolarisiert – zumindest was die Einstellungen der Bürger:innen betrifft. Ganz anderer Meinung war Birgit Lohmeyer. Sie erlebt in ihrem direkten Umfeld, dass die Bereitschaft und die Fähigkeit, Konflikte konstruktiv zu lösen und Kompromisse zu finden, nachgelassen hat: „In meinen jüngeren Jahren war es so, dass man über Konflikte diskutiert und versucht hat, eine Lösung zu finden. Das erlebe ich heutzutage immer weniger im Alltag.“

Professor Dr. Czada hingegen hob hervor, dass heutzutage in jedem Politikfeld Konflikte und Spaltungen herrschen. Er ist überzeugt, dass diese Pluralität die Demokratie stärkt: „Würden wir diverse Meinungen unterdrücken, würden wir in einer Diktatur leben.“ Aktuellen Studien der Meinungsforschung zufolge, verorten sich heutzutage weniger Befragte an den politischen Rändern. Ein Hinweis darauf, dass wir in Deutschland die politischen Einstellungen immer weniger extrem werden. Zuletzt stellte Professor Dr. Czada die Vermutung auf: Deutschland ist nicht gespalten und Polarisierung ist ein reines Medienkonstrukt.

Sind die Medien verantwortlich?

Christian Spolders knüpfte an die Vorwürfe gegenüber den Medien an. Eine Berichterstattung zu allen Meinungen ist wichtig – darin sieht auch er eine demokratiestärkende Funktion. Doch wenn Grenzen überschritten werden und eine Redaktion bestimmte Meinungen als gefährlich einstuft, müssen auch die Medien Konsequenzen ziehen. Im Zweifelsfall wird die Berichterstattung zu bestimmten Personen dann eingestellt – auch wenn es sich um beliebte Prominent:innen handelt, die für mehr Reichweite sorgen. Hier ist eine klare Haltung gegenüber der Leser:innenschaft wichtiger als das Geld, so Christian Spolders.

Paul Jürgensen betonte ebenfalls die Relevanz der persönlichen Haltung und reflektierte Möglichkeiten, wie wir Menschen mit gegensätzlichen Meinungen am besten umgehen. Für zielführend hält er die Idee der „radikalen Höflichkeit”: Niemandem auf Anhieb boshafte Absichten unterstellen, sondern Begegnungen auf Augenhöhe anstreben und andere Standpunkte aufrichtig verstehen wollen. Radikal bedeutet in dem Kontext aber auch: Stopp sagen, wenn Gespräche als ziellos empfunden werden.

Wie kann Polarisierung in der Gesellschaft entgegengewirkt werden?

Diese Frage wurde von einer Zuschauer:innen des Livestreams gestellt. Das Podium ist sich einig: Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen zusammenbringen. Beispielsweise durch …

  • einen obligatorischen Sozialdienst für alle Jugendlichen in Deutschland.
  • die Stärkung gleicher Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutschland.
  • eine faire Wohnungspolitik, die Wohnviertel neu “durchmischt” und neue Begegnungen ermöglicht.
  • die Umdeutung des Streits, der nicht immer eine Konfliktsituation, sondern auch eine Möglichkeit zum Dazulernen sein kann.

Diese spannenden Ideen und Impulse unserer Gäst:innen bildeten den perfekten Abschluss für die Podiumsdiskussion 2021.

Die Fachtagung mit topaktuellen Beiträgen

Nach dem erfolgreichen Auftakt mit der Podiumsdiskussion, folgte am Freitag und Samstag die Fachtagung für junge Nachwuchswissenschaftler:innen.

Wie schon im letzten Jahr fand die Fachtagung auch dieses Mal digital statt. Über die Plattform „Zoom“ präsentierten insgesamt 12 Gruppen und Einzelpersonen live ihre Forschungsprojekte. Die Vortragenden hatten eine große Varianz bei den jeweiligen Forschungsinteressen und unterschiedliche universitäre Hintergründe. Sie kamen aus Mainz, Augsburg, Hamburg, Erfurt, Mannheim, Marburg und Düsseldorf. Es nahmen sowohl Bachelor- und Masterstudierende als auch Promotionsstudierende an der Fachtagung teil. Sie alle einte die Lust an der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und die Aktualität ihrer Beiträge. Unter anderem gab es Vorträge zum Einfluss der Personalisierung von Politiker:innen auf das User Engagement bei Instagram, die Akzeptanz von Chatbots im Wahlkampf oder die Nachrichtenmedienwahl von Studierenden im Kontext der Corona-Pandemie. Im Anschluss an die Präsentationen bekamen sie Feedback von hochkarätigen Respondents. Dadurch erhielten die Nachwuchswissenschaftler:innen Anregungen, Ergänzungen, aber auch Lob für ihre Arbeiten. Über eine weitere Plattform namens „Wonder“ wurde während und nach der Fachtagung ein Austausch in kleineren Gruppen ermöglicht. Das digitale Foyer wurde gerne angenommen, sodass eine Vernetzung zwischen den Jung-Akademiker:innen stattfand.

Vielen Dank an alle Beteiligten!

Insgesamt waren Fachtagung und Podiumsdiskussion ein voller Erfolg für den wissenschaftlichen Diskurs! Der digitale Ablauf verlief an allen drei Tagen reibungslos. Trotz der positiven Erfahrungen wünschen wir dem nächsten Organisationsteam eine Präsenzveranstaltung mit persönlichem Austausch – so wie es sich eben für das DFPK gehört!

Zum Schluss wollen wir uns im Namen des gesamten Teams bei allen Beteiligten und Sponsoren nochmal ganz herzlich für das gute Gelingen des 17. DFPK bedanken! Vielen Dank an alle Unterstützenden für die Flexibilität und die Geduld unter den nicht ganz einfachen Bedingungen. Ein besonderer Dank gilt auch dem Team von Kreativfilm GmbH für die technische Umsetzung der Podiumsdiskussion.

Das 17. DFPK: Gut Ding will Weile haben